Der außergewöhnliche Orthopäde
Dr. Frank Becker – „Mein Steckenpferd ist die nichtoperative Orthopädie!“
Golfmedico: Gibt es unter Ihren Patienten viele Golfer?
Frank Becker: Ja, dadurch dass sich Golf zum Breitensport entwickelte, kommen immer wieder Golfer zu uns. Obwohl die Sportart im Grunde kein sehr großes Verletzungsrisiko birgt, kommt es gerade im Amateurbereich öfter zu Überlastungsschäden.
Sind diese Schäden mehr mentaler oder körperlicher Natur?
Der Golfsport dient der Regeneration, und was die Herz-Kreislauf-Belastung anbelangt, ist das Niveau mäßig. Man befindet sich in der Natur und macht moderate Bewegungen. In der Regel wird man Golf nicht allein spielen, sondern mit einem Partner, was auch durch den Erlebnischarakter zur Entspannung führt.
Welche Leiden liegen bei Ihren Golfpatienten ganz vorn?
Es sind, nach einem gewissen Alter, vor allem Verschleißerkrankungen. Überlastungen der Gelenke, der Muskulatur und akute Verletzungen, die wir hier in der Orthoparc Klinik rund um die Uhr behandeln können.
Sie geben Ihren Patienten auch ein Biofeedback. Was ist das?
Biofeedback heißt, dass wir bestimmte Körperfunktionen messen und sie dem Patienten individuell und visuell darstellen. Haben Sie ein typisches Beispiel? Etwa biomechanische Bewegungsanalysen, bei denen ein Golfer seinen Schlag durchführt. Dabei wird er von einer Videokamera aufgenommen und kann danach mit seinem Trainer den Schwung analysieren. Er bekommt ein Feedback, wie er sich wirklich bewegt hat. Andere Anwendungen sind beispielsweise die Oberflächen-EMG. Die Elektromyografie ist eine elektrophysiologische Methode in der neurologischen Diagnostik, bei der die elektrische Muskelaktivität gemessen wird, bei der man also die Spannungen, auch Muskelreaktionen eines Bewegungsablaufs messen kann. Es gibt sogar Geräte, die das akustisch darstellen, sodass der Trainierende zeitgleich eine Information über seine Muskelspannung erhält.
Gerade im Amateurbereich kommt es öfter zu Überlastungsschäden …
Zeit ist Geld. Was steckt hinter Rapid Recovery?
Das ist ein internationales Programm, das sich aus den Anfängen der Fast-Track-Chirurgie entwickelte. Es geht dabei um ein umfassendes Betreuungsprogramm insbesondere für Patienten, die einen künstlichen Gelenkersatz durchführen lassen. Dabei wird der Patient vor, während und nach der Operation intensiv betreut. Er wird bei uns in einem Vorbereitungsseminar über das, was während des Ablaufs mit ihm passiert, informiert. Eine zweite Säule im Rapid-Recovery- System ist eine spezielle Schmerzbehandlung, die lokale Infiltrationsanästhesie, die es dem Patienten möglich macht, sich sehr bald zu bewegen, weil er kaum Nebenwirkungen der Medikamente verspürt, die wir früher als Infusion geben mussten. Die dritte Säule von Rapid Recovery ist die frühzeitige Mobilisation. Zwei bis drei Stunden nach dem Eingriff kann der Patient meistens schon wieder aufstehen und auch schnell mehr oder weniger sein ganz normales Leben weiterführen.
Der Golfsport dient der Regeneration, und was die Herz-Kreislauf-Belastung anbelangt, ist das Niveau mäßig …
Wie sieht es bei Muskelfaserverletzungen aus?
Die Verletzung eines Muskels betrifft in der Regel die Muskelfasern, wenn es sich um eine Verletzung des Muskelbauchs handelt. Bei Golfern entstehen solche Verletzungen sehr gern nach einem Fehlschlag. In dem Moment, wenn der Schlägerkopf auf den Boden auftritt, ist die Widerstandskraft so groß, dass sich Teile der Bewegungskette – Muskeln, Sehnen, Knochen – verletzen. Bei Vorschädigungen kann es die Sehne sein, und ansonsten ist es eine Muskelfaser, die sich verletzt. Moderne Muskelfaserbehandlungen bestehen beispielsweise in der Applikation von konzentrierten Blutbestandteilen.
Wie läuft das in der Praxis ab?
Der Patient bekommt innerhalb der ersten 48 Stunden eine Blutabnahme. Dieses Blut wird aufbereitet, und Botenstoffe, die zu einer raschen Heilung führen, werden dann unter Ultraschallkontrolle gezielt in die verletzte Faser eingebracht. Das beschleunigt den Regenerationsprozess und die sportliche Belastbarkeit ungeheuer. Da haben wir sehr gute Erfahrungen, nicht nur im Golfsport.
Mittelprächtige Wochenend-Golfer legen kaum Wert aufs Aufwärmen vor der Runde. Welchen Gefahren setzen sie sich aus?
Es gibt beim Golf zwei Gruppen. Zum einen die Pros und die ambitionierten Amateure, denen gegenüber die Freizeit- und Gesundheitssportler stehen. Im hohen Leistungsbereich weiß jeder ambitionierte Sportler, dass die Leistungsfähigkeit höher und das Verletzungsrisiko geringer ist, wenn man sich auf eine sportliche Aktivität vorbereitet. Der Hobbygolfer muss sich bewusst sein, dass ein Gelenk, die Muskeln, die kinetische Kette besser funktionieren, wenn das Gewebe weich und geschmeidig sowie die Durchblutung verstärkt ist. Verletzungen bei Belastungsspitzen sind dann gering. Aber der Golfsport ist ein Sport, der von der Koordination lebt. Diese Koordination ist einfach deutlich besser, wenn die notwendigen Bewegungen vorher ein paar Mal durchführt wurden. Das kann durchaus auch mit mentalem Training erreicht werden – vergleichbar einem Slalomläufer, der im Geiste vor dem Start noch mal das Rennen durchgeht. So kann sich das Bewegungssystem schon drauf einstellen.
Wie soll sich der Laie das vorstellen?
Wenn im Winter eine Straße zugeschneit ist, kann kein Verkehr fließen. Sie muss geräumt werden. Genauso funktioniert es mit unseren Bewegungsimpulsen, vom Gehirn übers Rückenmark, durch die Nerven bis hin zu den Muskeln. Diese Fahrbahn muss einmal freigeräumt werden, dann fließen die Bewegungen umso schneller. Aufwärmen ist vor allem für den Freizeitsportler wichtig, denn er möchte sich ja gesund erhalten, sich auf die nächste Runde freuen.
Wie lange soll man sich als Hobbygolfer aufwärmen, und welche Übungen legen Sie uns nahe?
Bei der Belastung und den Anforderungen, die der Golfsport fordert, sollte ein Auflockern von fünf bis zehn Minuten ausreichen. Einfach Wirbelsäule, Schultern und Hüfte bewegen. Ein moderates Joggen oder zügiges Spazierengehen genügt, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Beispielsweise seinen Golf-Trolley fünfhundert Meter vor dem ersten Abschlag abstellen und zur Driving Range gehen genügt.
Spielen Sie eigentlich Golf?
Ich für meine Person bin gelernter Fußballer und habe noch keine Erfahrung mit Golf.
Fußball kann man bekanntermaßen nicht so lange spielen.
Das ist richtig. Ich sehe Golf vonseiten der Sportmedizin absolut positiv. Golfen kann ich auch noch im hohen Alter erlernen. Es hat eine gewisse gesellige Natur und einen Erlebnischarakter. Man kann es überall betreiben, wo Plätze angelegt sind. Wir wissen heute aus der modernen Forschung, dass auch für das Herz-Kreislauf-System die positiven Wirkungen des Golfsports nicht zu verachten sind. Es kommt nachgewiesenermaßen zu einem Fettverbrauch auf einer 18-Loch-Runde, die Durchblutung wird gesteigert, die Sauerstoffaufnahme steigt während der Aktivität auf das Zwei- bis Vierfache. All das ist positiv zu vermerken. Auch wenn man mit gesundheitlichen Vorschäden leben muss, gewisse Herzerkrankungen hat oder ein künstliches Gelenk trägt, dann kann man sich nach vorhergehender Konsultation eines Sportmediziners durchaus mit Golfen körperlich betätigen und somit etwas für seine Gesundheit tun.
Wäre das nicht auch für Sie ein Grund, den Golfschläger in die Hand zu nehmen?
Das hört sich gut an. (Lacht) Es juckt mich gerade in den Fingern …
Herr Dr. Becker vielen Dank fürs Gespräch!
Dr. Frank Becker
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie hat 25 Jahre Berufspraxis als Chirotherapeut.
In den 80er-Jahren absolvierte Frank Becker seine Ausbildung zum Physiotherapeuten. Der Saarländer liebt diesen Beruf noch immer, aber er wollte selbstständiger und unabhängiger arbeiten, und so wurde er 2004 Arzt. „Mein Steckenpferd ist die nichtoperative Orthopädie!“, verrät der Chirotherapeut mit 25 Jahren Berufspraxis. Seit 2011 ist der 51-Jährige Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Golfmedico sprach mit dem Oberarzt, der heute erfolgreich die Physiotherapie im Orthoparc in Köln leitet.